Als Dankeschön für vorherige Informationen und um ein wenig Werbung für unseren Blog zu machen, verlinkte ich unseren letzten Eintrag zum Tauchgang am Wilden Mann in der Facebook Gruppe “Tauchen im Bodensee”. Dabei erlebte ich eine Überraschung in Form von sehr detailliertem Feedback und Verbesserungsvorschlägen.

Dieser Artikel bezieht sich auf die vorangegangene Veröffentlichung "Bodenseeausflug an Fasching 2015".

 

 

Als die ersten Antworten eintrudelten schluckte ich erst einmal heftig - ich denke jeder kennt das: Kritik einzustecken ist immer erst einmal schwierig. Aber wir hatten ja bereits selbst fest gestellt, dass an der ein- oder anderen Stelle Verbesserungsbedarf besteht.

Einer unserer grundsätzlichen Leitsätze ist es, sowohl große Fehler und auch kleinere Problemchen immer offen zu diskutieren. Das gilt sowohl in unseren Tauchgangs-Nachbesprechungen, wie auch bei externen Quellen. Von einem erfahrenen Taucher lernte ich einst den Ausspruch:

            “Das schlimmste was Du beim Tauchen falsch machen kannst, ist immer nur im eigenen Saft zu schmoren. Vernetze Dich vielfältig, höre Dir viele Meinungen an und bilde Dir dann Deine Eigene”.                                                                                                                                                                               

 

Deshalb ein herzliches Dankeschön an Annerose Mildenberger und Sebastian Koukal für die vielen Tipps und Verbesserungsvorschläge!

Da der Tauchgang von uns öffentlich gemacht wurde, finde ich ist es auch legitim entsprechende Verbesserungsvorschläge zu veröffentlichen. Nachfolgend habe ich die wichtigsten Anmerkungen und daraus abgeleitete Maßnahmen aufgeführt.

 

Verbesserungsvorschläge und Anregungen

Zunächst waren einige Punkte reine Missverständnisse. Ich hatte bei der Berichterstellung manche Fakten ein wenig schlampig dargestellt. So hatten wir beim ersten Tauchgang nicht eine Stage O2 als Teamredundanz dabei, sondern pro Taucher. Das gesamte Reservegas des Teams auf einen Taucher zu legen wäre uns auch zu riskant. In der Regel tauchen wir so, dass ein Gasausfall jeder Taucher selbst kompensieren kann. Erst bei einem zweiten Ausfall ist das Team gefragt. Leider gibt es am Überlinger See kein Sauerstoff (zumindest nicht kommerziell), deshalb hatten wir den Sauerstoff den wir für den zweiten Tauchgang geplant hatten auch beim ersten dabei, falls die Nx50 ausfällt. Beim zweiten Tauchgang hatten wir nach Dekoende noch 180 bar im D12, 100 bar in der Nx50 und 50 bar in der O2 Stage. Ein Gasausfall wäre völlig unkritisch geworden.

Auch kommt im Artikel nicht ganz zur Geltung, dass die Tauchgänge ordnungsgemäß geplant waren. Ich habe zwar viele Worte über den Tauchgangsverlauf geschrieben, die Planung aber nicht erwähnt. Aber natürlich hat dieses stattgefunden!

"Plan your Dive and Dive your Plan" ist auch unser Motto. Wir sind zwar nicht nach GUE ausgebildet, haben aber die GUE-EDGE Checkliste für Vorbesprechung und Planung übernommen, da wir sie sehr gut finden.

Die Planung umfasste Tiefenstopps und Dekostopps, Gaswechsel, Aufstiegsgeschwindigkeiten, Kurse, Tiefenlimits und Zeiten, END und ppO2 pro Tiefe, Aufgaben und Aktionen, MODs, Minimum Gas sowie eine komplette Gasausfallplanung für jede Flasche. Insgesamt waren wir am Wilden Mann z.B. gut 2h mit der Planung beschäftigt. Der TC läuft bei uns nur zum Plausibilitätscheck oder wenn der Tauchgang komplett aus dem Ruder läuft (z.B. Abbruch bevor großartig Deko anfällt, oder wenn sich der Seegrund komplett anderst erweist als geplant). Zwar üben und tauchen wir auch ab und zu DOF, aber der TC ist doch mitunter bequemer.

 

Deepstops haben wir auch gemacht. Diese beginnen bei uns bei 85% des Gesamtdrucks oder alternativ einfacher bei 75% der Tiefe. Beim Wilden Mann z.B. haben wir kurz bei 50m gestoppt. Weitere Deepstops waren hinfällig, da wir ab 40m sowieso auf die erste Dekostage gewechselt haben. Da unsere Aufstiegsgeschwindigkeit allerdings etwas unter den geplanten 10m/min war, haben wir den Stopp nur ca.15 Sekunden gemacht – im Profil auf die lange Dauer nicht mehr ersichtlich. Wir halten immer die Stoppzeiten nach Tabelle ein und laufen nicht der Runtime hinterher – einzige Ausnahme machen wir bei den Deepstops wenn der Aufstieg langsam war.

 

Verbesserungspotential Tauchprofil

Die Stage hoch zu schicken war tatsächlich Blödsinn. Ich hoffte dass so kein Wasser in den Regler eindringt, indem ich ihn an die Oberfläche schicke. Hat nicht geklappt. Nächstes mal bin ich schlauer und lasse ihn einfach so wie er ist.

Schlecht war aber auch das getauchte Profil. Es enthält viel zu viele Zacken und Überschwinger. Die Dekostopps schwanken immer um ein paar Meter, der 40m Stopp schwankt bis zu 4m in der Tiefe, der 21m Stopp findet zwischen 20m und 23m statt, der 3m Stopp wird gar nicht konsequent immer so zwischen 4-5m gemacht.  

Zwar sind wir hier schon seit Jahren am üben und es wird immer besser, aber leider nur sehr langsam. In diesem Tauchgang haben wir es auch einfach an Konzentration missen lassen. Das nächste Wochenende haben wir etwas bewusster auf die Stopps geachtet und siehe da: Das Profil ist wesentlich schöner und hat nur noch einen unschönen Zacken bei 21m auf 20m und einen kurzen durchsacker von 9m auf 10,5m vor dem Aufstieg auf 6m.

 

Profil-Matschelsee-Feb2015

Die Woche darauf am Matschelsee mit deutlich mehr Konzentration

 

Maßnahme: Künftig etwas konzentrierter vorgehen und sich für die Gaswechsel etwas mehr Zeit zur Vorbereitung nehmen.

Verbesserungspotential Gase

 

Dass die Gase nicht gut waren habe ich ja bereits im Artikel geschrieben. Die MOD für 18|45 sollte bei 57m oder 60m liegen, Nx32 bei 30m. Hier waren wir zwar nur kurz darüber, aber dennoch - es war ein unnötiges Risiko.

Auch kann man den Nutzen der Nx32 Stage generell in Frage stellen. Wir tauchen seit 2 Jahren immer mit 3 oder 4 Stages – meist nur zu Übungszwecken. Ob nun eine oder zwei in der Leash hängen finde ich nicht so markant unterschiedlich sofern sie richtig gefüllt wurden. Aber, etwas Taskload hätte man ohne die 32er reduzieren können.

 

Maßnahme: Bessere Gasplanung oder maximale Tiefe verringern.

 

Verbesserungspotential Gradientenfaktoren

 

Als sich auf unseren Tauchgänge vor ein paar Jahren immer mehr Dekozeiten sammelten begann ich mich mit der Materie zu beschäftigen. Zu Beginn suchten wir nach bewährten Werten. Oft hört man dass 30/90 oder 20/80 getaucht wird. Gerne auf der konservativen Seite beschlossen wir einen GF von 15/80 zu tauchen. Hat immer super geklappt. Da wir genug Gas haben und wenig Eile haben setzten wir den oberen GF irgendwann auf 75 herab. Je nach Umständen variieren wir zwischen 70 und 80.

Den tiefen Stopp haben wir letztes Jahr allerdings massiv erhöht (werden ihn künftig aber wieder herab setzen).

Hier meine Überlegungen zur Thematik:
Für die Wirksamkeit der tiefen Stopps (inkl. Deepstopps) habe ich keine einzige wissenschaftlich fundierte Studie gefunden die das belegt. Klar, es gibt subjektive Erfahrungen und empirische Auswertungen auf fragiler Datenbasis. Außerdem, da die tiefen Stopps auch in die Berechnung der flacheren Stopps eingeht, gibt es keinen negativen Effekt, außer dass die Deko etwas länger wird. Somit spricht überhaupt nichts dagegen auch tiefe Stopps zu machen.

Das VPM Blasenmodell von Yount u.A., wie auch die Anpassungen Bakers am Bühlmann ermöglichen eine Planung tieferer Stopps. Dennoch sind alles nur Modelle.

Die Navy Experimental Dive Unit (NEDU) hat 2011 allerdings eine Versuchsreihe gestartet die belegt dass tiefe Stopps keinen Vorteil ergeben. Positive Effekte ergeben sich eher dadurch dass die flachen Stopps aufgund der ersten Stopptiefe automatisch verlängert werden. Die Studie ist hier zu finden: http://archive.rubicon-foundation.org/xmlui/handle/123456789/10269 und wurde auf dem RF 3.0 Forum in Orlando von Dr. David Doolette noch mal anschaulich erklärt. Den Vortrag kann man bei Youtube sehen unter https://www.youtube.com/watch?v=pH5zw_fi5RE.

Die Studie ist umstritten – alleine auf RebreatherWorld gibt es einen Thread mit mehr als 1000 Einträgen. Insbesondere aufgrund der Tatsache dass die verwendeten Austauch-Modelle in der Studie beim Hobbytauchen unüblichen sind (Thalmann Algorithmus VVal-18 und BVM(3)), wird häufig kritisiert. Auch dass bei den Experimenten nur Pressluft als Dekogas genutzt wird, ist in der Kritik. Befürworter halten entgegen, dass das Entsättigungsverhalten der Gase unabhängig vom Gesamtgemisch ist.

Das war aber der Grund warum wir zuletzt den hohen GF etwas reduziert, und den niedrigen GF stark erhöht haben.

Aber nochmal, es spricht eigentlich auch nichts gegen einen niedrigeren low GF, ich denke wir werden das künftig wieder heruntersetzen. Wichtiges Argument für einen tiefen low GF ist auch die Tatsache dass es momentan gängige Praxis ist. Warum also auf weltweit gemachte Erfahrungen verzichten und Versuchskaninchen spielen? Zumal - sollte doch mal ein Unfall passiere - dann genau diese Konfiguration des Dekompressionsmodells argumentiert werden müsste.

Für das Austauchprofil am Wilden Mann hat der untere GF in der Praxis sowieso keinen signifikanten Unterschied, da wir ab 3/4 der Tiefe mit 6m/min und ab dem ersten Dekogaswechsel (40m) mit 3m/min aufstiegen. Da dies bei uns mit in die Dekoberechnung fließt, greift der untere GF so gut wie gar nicht. Am Tauchgang 2 ist der Unterschied zwischen 30/75 und 75/75 gerade mal 3 Minuten auf 12m.

Maßnahme: Künftig werden wir wieder zwischen GF 25/70 und GF 25/85 tauchen.


Probleme sind Schätze (japanisches Sprichwort) - und die werden wir weiter suchen und hüten! :-)

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