Verzasca - dieser Name steht schon lange auf meiner ToDo Liste. Und nun stand Pfingsten vor der Tür. Eine Woche Kindergarten-Ferien - was tun?

Sortiert man die im Süddeutschen üblichen Feriendestinationen für Familien mit kleinen Kindern nach Beliebtheit, so landet man ziemlich schnell beim Lago Maggiore. Spontan beschlossen wir also wenige Tage vor Abfahrt, dass dies unser Ziel sein soll. Eine Woche Zelten mit den Kleinen (2 und 3 Jahre alt).

Eigentlich nicht als Tauchurlaub geplant, fiel uns erst auf der Fahrt auf, dass das berühmte Valle Verzasca ja kaum weiter als eine halbe Stunde von unserem Zeltplatz entfernt liegt. Zum Glück war beim Packen für das Tauchzeug noch etwas Platz im Anhänger. Und es sollte nicht nur einmal nass werden.

 

  

Als Campingplatz bekamen wir den Platz „Vale Romantica“ in Cannobio kurz hinter der Schweizer Grenze empfohlen. Hier richteten wir uns für einen Woche ein. Direkt an dem Campingplatz gab es eine kleine Flussbiegung um mit dem Strömungstauchen im Fluss warm zu werden. Warm war es mit ca. 10 Grad Wassertemperatur (Verzasca 9 Grad) Mitte Mai tatsächlich, so dass die Heizung nicht zum Einsatz kam.

Da wir nur zu zweit waren und die Kinder betreut werden mussten, suchten wir zuerst eine Tauchbasis die Ausfahrten organisiert. Leider wurden wir zumindest im nördlichen Teil des Sees spontan nicht fündig. Eine organisierte Ausfahrt am Samstag morgen hätten wir mit der Tauchbasis Maggiore Diving machen können, aber das war schon unser Abfahrtstag. Ansonsten hätten wir noch in Locarno bei einer Tauchschule Scuba Planet Sagl fragen können, an der wir auch füllen wollten. Allerdings hatte diese zwischen 12:00 Uhr und 14:30 geschlossen. Zeitpunkt an dem wir an die Türe klopften: 11:59, kein perfektes Timing. Also hieß es das mitgebrachte Gas aufsparen und Solo tauchen.

Ich bin kein großer Freund des Solo Tauchens. Zum einen ist es riskanter, zum anderen - seit ich über den VDST versichert bin - von der Versicherung explizit ausgeschlossen. Außerdem finde ich es viel langweiliger als im Team. Aber was soll's, lieber gehe ich Solo als gar nicht.

Ein Flusstauch-Brevet haben wir nicht. Wenn man sich die Empfehlungen zum Flusstauchen anschaut, so hat es den Anschein, dass man dafür nur dem gesunden Menschenverstand folgen muss und ein paar grundlegende Regeln zu beachten hat. Dennoch kommen regelmäßig Taucher beim Flusstauchen ums Leben, somit möchte ich dem Flusstauch-Brevet sicher nicht die Sinnhaftigkeit absprechen, sondern im Gegenteil jedem als Vorbereitung empfehlen.

Signifikanter und wichtigster Punkt um den sich alles dreht ist die Strömung. Ganz ungewohnt für mich: Dekompressionsprozeduren und Gaslogistik ist völlig unwichtig. Also mal was ganz anderes!

Vor dem Tauchgang also:

  • den Wetterbericht genau prüfen
  • die Strömungen im Fluss genau untersuchen
  • die Einstiegsstellen markieren (oder zumindest beim Tauchen 100,00% genau wissen wo der Ausstieg ist)
  • speziell unsichtbare Strömungen (in enge Felsspalten hinein und unterhalb von Strömungs-Walzen) im Auge halten
  • die Rutschgefahr beim Ein- und Aussteigen beachten
  • auf Kanus und Klippenspringer als potentielle Kollisionsobjekte achten

 Wir hatten Glück, in den letzten Tagen kein größerer Regen, die Strömung war überall moderat.

 

Tauchplatz Valle Romantica

 

Dies war die Flussbiegung am Campingplatz. Kein besonderer Tauchplatz, den man extra anfahren muss wenn man nicht gerade sein Zelt daneben stehen hat. Aber dennoch gab er erste Eindrücke des klaren Wassers (ca. 6-8m Sicht) und der faszinierenden Felsformationenen in fließenden Gewässern.

Leider ging wenige Tage zuvor ein Hund auf dem Platz verloren, den ich dann auf 5m Tiefe gefunden hatte... Ich war dann so freundlich, ihn in Absprache mit dem Campingplatzbesitzer in einer Plastiktüte zu bergen. Zum Glück lag er da noch nicht so lange und war deshalb sehr einfach zu heben. Ganz anders als unsere Begegnung im Bodensee vor ein paar Wochen, deren Bergung wir dann doch lieber den Profis überließen...


valle romantica

 

Valle Verzasca

 

Wie schon geschrieben hatten wir ein wenig Probleme mit der Gaslogistik. Deshalb mussten unsere mitgebrachten Reserven reichen. Dies waren ein D12 Nx32, eine M12 Nx32 und eine 80 cft. 21/35 (zum Flusstauchen ?!?). Da wir beim Packen eher den Lago im Sinn hatten, stimmte unsere Flaschengröße hier also leider nicht so ganz. Mit einem D12 in einen Fluss einzusteigen... so verrückt bin ich dann nun auch nicht. Weitestgehend strömten wir also von der D12 in die Mono um und machten die Tauchgänge damit. Allerdings hätte auch eine wesentlich kleinere Flasche ausgereicht. Wenn ich das nächste mal in der Ecke bin, wird eine einzelne 40cft. Flasche ihren Dienst tun.

Ich muss zugeben, ich hatte die Tauchstellen größer erwartet. Wir fuhren den berühmtesten Tauchplatz im Tal, die Ponti dei Salti an. Diese Römerbrücke, die in Wirklichkeit im Mittelalter erbaut wurde, überspannt ein wunderschön türkis bis dunkelgrün schimmerndes Becken des Flusses Verzasca. Das Becken hat eine geschätzte Breite von ca 10 m und eine Länge von vielleicht 120m, also kaum mehr als ein Schwimmbad.

 

valle verzasca2

Zum Glück war noch nicht so richtig Saison, so bekamen wir einen Parkplatz direkt an der Brücke (5 Fr. für 3h). Dann ging es auch schon in das Wasser. Leider war der Tag bewölkt, bei Sonne wären die Wasserspiele der Wellen sicher noch beeindruckender gewesen.

Mit einem harten Flossenblatt kämpfte ich mich gegen die Strömung. Je näher es dem abschließenden Wasserfall ging, desto schwieriger wurde das vorankommen. Es gab kleine Kanten im Fels, an denen man sich voran hangeln konnte. Der Wasserfall war unter Wasser sehr beeindruckend: Tausende von Blasen sprudelten hier das Wasser auf. Davor waren künstlerisch anmutende Formationen aus dem Felsen ausgewaschen. Abermals bedauerte ich, dass ich das UW-Kameragehäuse vergessen hatte.

 
valle verzasca

Zurück ging es dann entsprechend leicht: Einfach unter der Brücke hindurch treibend ging es wie im Flug wieder am Einstieg vorbei. Dieser ist sehr einfach zu finden und wir haben auf eine Sicherungsleine verzichtet. Dies ist allerdings keine Empfehlung, am Ufer sind mindestens 4 Ringe angebracht an denen sich ein Sicherungsseil anbringen lässt. Speziell bei stärkerer Strömung oder Unsicherheit wäre es sehr fahrlässig diese nicht zu nutzen.

Den Tauchgang machte ich nass mit dem 7mm Neopren. Trocki wäre hier aber auch problemlos möglich gewesen, scharfkantige Felsen gibt es keine und schwierige Kletterrei ist an dieser Stelle nicht notwendig. Die Sicht war besser als am Tauchplatz zuvor, sicher mehr als 10m.

 

San Nazzaro

Nach den tollen Flusstauchgängen war ich aber nun doch neugierig, wie der Lago Maggiore unterhalb der Wasserlinie aussieht. Ohne Vorbereitung waren wir etwas auf die spärlichen Informationen angewiesen die durch die sehr schlechte Mobilfunkanbindung tröpfelten. Hier las ich auf dem Handy, dass der Tauchplatz San Nazzaro auf der Schweizer Seite wohl einiges Spannendes zu bieten hätte. Neben einigen kleineren Boot-Wracks gäbe es wohl einen Hubschrauber auf 18m, sowie eine Cessna auf 30m Tiefe zu bestaunen. Also mit Trocki, Heiztanks, D12 und 80er TMX ab in das Wasser. Der Einstieg war direkt an einem Fähranleger.

Allerdings wurde ich schwer enttäuscht. Die Sicht war eher schlecht, maximal 3m. Die Tauchplatzbeschreibung die ich vorab gefunden hatte war schon ein paar Jahre alt. Entweder hat man die Wracks zwischenzeitlich geborgen oder ich war am falschen Platz abgetaucht. Jedenfalls hatte ich nach 60 Minuten Tauchzeit lediglich ein kleines Motorboot Wrack und jede Menge Müll gefunden. Da ich auf der Suche sehr schnell unterwegs war, brauchte ich auch die Heizung nicht. Gegen Ende ist noch die Fähre über mir hinweg gefahren, so dass das Wasser vibrierte.

 
san nazzaro

Alles in allem ein sehr unspannender Tauchgang, das Gas hätte man sich sparen können.

 

Sankt Anna

Auf einem Spaziergang vom Campingplatz aus kamen wir an einer kleinen Schlucht unterhalb der Kirche Sankt Anna vorbei. Hier liegt direkt am Eingang der Schlucht ein kleiner Kiesstrand der ein Wasserbecken begrenzt. Der Fluss wird am Ausgang der Schlucht sehr breit und sehr flach ohne große Stromschnellen. Also sehr einfach zu betauchen. Hier müssen wir hin. 

Beim Tauchen dachten wir noch einen kleinen Geheimtipp gefunden zu haben, allerdings korrigierten später eintreffende Taucher diese Annahme: Es handle sich wohl um einen sehr viel betauchten Platz. Nicht ganz zu unrecht.

 
sankt anna

Obwohl auch ein Flusstauchgang, hat dieser Tauchplatz einen ganz anderen Charakter als die Ponti dei Salti. Bereits wenige Meter nachdem man in die Klamm eingetaucht ist, wünscht man sich eine Lampe. Die Wände rücken enger und das Flussbett drängt in die Tiefe. Es fühlt sich ein wenig wie Höhlentauchen ohne Höhle an. Auf immerhin 12m Tiefe kann man hier kommen.

Alle paar Meter hat es kleinere Kammern ausgespült, die es zu erkunden gilt. Das Wasser ist dunkelgrün und durch die Wasserfälle von Schaum gekrönt. Nach ca. 100m-150m erreicht man dann das Ende des betauchbaren Bereiches in Form eines einsprudelnden Wasserfalls. Unterwegs liegt etwas versunkenes Treibholz und auch ein alter Ziegenschädel.

Zurück treibend, lohnt der Blick nach oben auf die alte und die neue Brücke, die die Schlucht bei der Kirche überspannt, bis man wieder im Einstiegsbecken ist.

 

sankt anna2

Auch hier war die Sicht super, mehr als 10m hatte es sicher und sehr zu meinem Bedauern ging das verbleibende Gas viel zu schnell zu Ende.

 Fazit 

Flusstauchen ist eine sehr tolle, fast mystische Erfahrung die ich jedem Taucher ans Herz lege. Die Gefahren muss man im Auge halten, sind es doch ganz andere als in unseren heimischen Seen. Ich denke das wird nicht mein letzter Besuch in den Flüssen der südlichen Alpen gewesen sein – das nächste mal aber wesentlich besser vorbereitet!

 


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